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Kardinal Jaime Sin (2003)


Kardinal Jaime Sin

 

FÜNFUNDZWANZIG JAHRE NACH DEM KONKLAVE, BEI DEM PAPST LUCIANI GEWÄHLT WURDE.

 

Bei den beiden Konklaven des Jahres 1978 war der Erzbischof von Manila der jüngste unter den Kardinälen. Er erinnert sich...

 

von Kardinal Jaime L. Sin

 

 

      Wie schnell ist doch die Zeit vergangen! Es kommt mir vor, als wäre es erst gestern gewesen, als ich nach Rom kam, um an den beiden Papstwahlen teilzunehmen. Paul VI., an den ich nur allzu gerne zurückdenke, hat mich im Mai 1976 zum Kardinal kreiert. Ich war damals mit 47 Jahren der jüngste Kardinal. Papst Paul VI. war ein strenger, aber liebenswürdiger Papst. In seiner Wiederbekräftigung der Lehren der Kirche war er unbeirrbar (wie man beispielsweise an der Veröffentlichung der Enzyklika Humanae vitae sehen konnte), aber dank seiner diplomatischen Ausbildung war er auch einer, der zuhören konnte. Bei dem Konklave nach seinem Tod war ich der jüngste der Kardinäle, und so fiel mir die Rolle des „Pförtners“ zu. Ich war derjenige, der sich um die Bedürfnisse einiger der älteren und gebrechlicheren Kardinäle kümmerte. Ich erinnere mich auch an die Nacht, in der ich dem Patriarchen von Venedig, Albino Luciani, zur Seite stand. Er war ein sehr einfacher und sanftmütiger Mensch. Am meisten gefiel mir sein Lächeln. Ich nahm seine Hand, betrachtete seine Handfläche und gab vor, ihm die Zukunft lesen zu wollen. Scherzend sagte ich ihm, daß er der nächste Papst werden würde. Das gefiel ihm ganz und gar nicht, und er schickte mich kurzangebunden in meine Zelle zurück.Tags darauf wurde er tatsächlich zum Papst gewählt, ging unter dem Namen Johannes Paul I., der lächelnde Papst, in die Geschichte ein. Seine Regierungszeit war zwar kurz, hat aber tiefe Spuren hinterlassen.

 

      Bei dem Konklave, das den derzeitigen Papst wählte, fiel mir immer noch die Rolle des Pförtners zu. Ich saß neben dem polnischen Kardinal Karol Wojtyla und konnte feststellen, was für ein fleißiger, grüblerischer Mensch er war. Er war die Ruhe selbst, zog es vor, sich abseits zu halten. Er hatte immer ein Buch bei sich (über Philosophie, glaube ich). Nie hätte er es für möglich gehalten, zum Papst gewählt zu werden. Schließlich hatten wir uns schon daran gewöhnt, einen italienischen Papst zu haben. Aber zu seiner eigenen Überraschung, und der der ganzen Welt, wurde er nach mehreren Wahlgängen zum Stellvertreter Christi gewählt.

 

      Die Welt empfand angesichts des ersten polnischen Papstes in der Geschichte eine gewisse Beunruhigung. Und ich glaube, daß er das nur allzu gut wußte, daß er deshalb bei seiner Amtseinführung sagte: „Habt keine Angst!“. Und wir haben auch keine Angst, denn in Johannes Paul II. haben wir einen mutigen, unermüdlichen und inspirierten Hirten gefunden. In den vergangenen 25 Jahren hat uns Johannes Paul II. in Liebe und Heiligkeit geführt.

 

      Ich schließe mich der ganzen Welt an in ihrem Dank an den Herrn, der uns ein großes Geschenk gemacht hat, einen wahren Hirten, Förderer des Friedens und Musterbeispiel der menschlichen Person. Es lebe der Papst!

 

 

http://www.30giorni.it/te/articolo.asp?id=1597