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Illustrissimi


Briefe an Persönlichkeiten


INHALT

 

Während der Römischen Bisshofssynode im Oktober 1977, an der wir beide teilnahmen, überreichte ich dem damaligen Patriarchen von Venedig, Kardinal Albino Luciani, eine kleine Schrift, die ich zum Thema „Familie als Hauskirche“ verfaβt hatte. Als Gegengabe erhielt ich von ihm seine „Illustrissimi“ – und er bemerkte dabei, diese Schrift sei für die „einfachen Leute“ verfaβt. Persönliche Bescheidenheit wie auch Zuneigung, spricht aber auch us dem Buch. Patriarch Luciani wollte ein Bischof sein für die Menschen, ein Hirte für das Volk.

 

Aber noch etwas ist für dieses Buch kennzeichnend: der offene und weite Geist, der die groβen Gestalten der Geschichte ebenso kennt wie die Schriftsteller, die das Volk ansprechen, dem die Heiligen und die Dichter, die geschihtsmächtigen Politiker ebenso wie die "Helden" der Kinder vertraut sind.

 

Nähe und Weite zugleich sind die Dimensionen des Geistes dieses Autors. Nähe und Weite - das sind aber zumal Dimensionen seines Herzens. Sind nicht gerade diese Dimensionen gemeint, wenn einer vom Herrn gefragt wird wie einst Petrus: "Liebst du mich mehr als diese?"

 

"Der Herr möge euch verzeihen, was ihr mit mir angefangen habt!" sagte Kardinal Luciani, als er durch die Entscheidung des Konklaves, die aus innerster Verantwortung der Kardinäle vor Gott getroffen wurde, Papst Johannes Paul I. geworden war. In einem Alter, in dem die meisten anderen Menschen ihr Werk aus der Hand legen, um auszuruhen von der Bürde uhres Lebens hat man ihm die Last des Papstamtes auf die Schultern gelegt, des schwersten Amtes, das es in der Kirche zu tragen gibt. Bescheidenheit, Nähe und Weite, Mut zur eigenen Menschlichkeit, Mut zum unmittelbaren Umgang mit den Nächsten, Mut, über die Zäune des engen eigenen Berziks in de Landschaft der Welt- und Menschheitsgeschichte hinauszuschauen: das sind kostbare Voraussetzungen für dieses amt.

 

Sicher, das Ja des Glaubens und der Treue, das wir dem Papst entgegenbringen, gilt ihm nicht zuerst um seiner menschlichen, geistigen und geistlichen Qualitäten willen. Es gilt ihm um des Herrn willen, der ihn gesandt hat seine Herde anvertraute. Der Nachfolger des Petrus ist der Vicarius Christi. Daβ der Herr seine Sendung einem Menschen mit seiner begrenzten Kraft übergibt, dies ist immer wieder eine Provokation, dies erregt immer wieder Anstoβ. Es war ja schon bei Jesus nicht anders. Als er in seine Heimatstadt Nazareth kam, waren seine Mitbürger empört: Der ist doch einer von uns, wir kennen seine Lebensverhältnisse, seine Familie - und er will uns in Namen Gotes etwas zu sagen haben? (vgl. Lk 4, 31-37). Seit Gott sich entschlossen hat, in der Menschwerdung seines Sohnes uns das Heil zu schenken, führt auch der Weg der Vermittlung diese Heils über den Menschen. Das Ärgernis von Nazareth setzt zich fort auch im Ärgernis von Rom, im Ärgernis eines Menschen, der im Namen des Herrn auf uns zukommt.

 

Doch weil Gott nicht am Menschen vorbei den Menschen seine Botschaft und sein Heil anbieten will, deshalb ist es keine bloβe Äuβerlichkeit, auch auf die Menschlichkeit dessen zu achten, den er uns sendet. Nachdem Petrus das Bekenntniss des Glaubens abgelegt hat, daβ Jesus der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes ist, sprach dieser zu ihm das Wort: "Du bist Petrus!" (vgl. Mt 16, 16-18). Und was Jesus dem Petrus verheiβen hat, das löst er an jenem Morgen am See Genezareth, da er ihn nach der gröβeren Liebe fragt und ihm seine Herde endgültig anvertraut (vgl. Joh 21, 15-17).

 

Hier ist das Herz eines Menschen bis zum Innersten und bis zum äuβersten in Anspruch genommen; hier ist uns das Herz dieses Menschen aber auch geschenkt. Weil es den Papst gibt, gibt es einen, der im Aufrag und in der Sendung des Herrn ein Herz wahrhaft für alle, wahrhaft für das Ganze hat.

 

Dann aber haben Bescheidenheit, Nähe und Weite dieses Herzens nicht nur etwas mit der privaten Biographie des Papstes Johannes Paul I. zu tun, sondern unmittelbar mit seiner Sendung. Und für uns ist es ein Geschenk, dieses Herz ein wenig tiefer kennenlernen zu können und selber in die Perspektive dieses Herzens auf die Dinge des Lebens und der Welt eingehen zu können.

 

Daher is das Buch, in dem Papst Johannes Paul I. vor einigen Jahren jene Briefe zusammenfaβte, die er an gewichtige Persönlichkeiten der Weltgeschichte, Heilsgeschichte, Kirchengeschichte und Persönlichen Geschichte geschrieben hat, mehr als eine freundliche UNterhaltung, mehr als eine biographische und literarische Kostbarkeit. Diese Buch ist ein Weg, um mit dem lebendig verbunden zu sein, der zu uns kommt om Namen und mit dem Herzen des Herrn.

 

Köln, den 27. September 1978

 

Joseph Kardinal Höffner